- von Benjamin Alisic
- an 27 Okt, 2025
Was Sie brauchen, wenn Sie eine Immobilie erben oder geschenkt bekommen
Ein Haus oder eine Wohnung zu erben - das klingt erst mal wie ein Geschenk des Glücks. Doch hinter der emotionalen Belastung steckt ein komplexer bürokratischer Prozess, der ohne die richtigen Unterlagen schnell zu Monaten Verzögerung, unnötigen Kosten und steuerlichen Fehlern führt. Laut einer Umfrage des Deutschen Anwaltvereins aus April 2024 haben 68,3 Prozent der Erben durch fehlende Dokumente zusätzliche Kosten von durchschnittlich 2.850 Euro pro Fall verursacht. Und das, obwohl alles mit einer klaren Checkliste vermeidbar wäre.
Die gute Nachricht: Es gibt eine offizielle, aktuelle Checkliste, die von Notaren, Steuerberatern und dem Deutschen Notarverein entwickelt wurde. Sie ist nicht verpflichtend, aber in der Praxis unverzichtbar. Diese Liste hilft Ihnen, die 37 notwendigen Dokumente für eine Erbschaft und die 29 für eine Schenkung systematisch zu sammeln - ohne dass Sie sich durch unzuverlässige Online-Portale wühlen müssen.
Die fünf Kernkategorien der Checkliste
Die offizielle Checkliste gliedert sich in fünf klare Bereiche. Jeder Bereich hat einen spezifischen Zweck. Wer nur ein paar Unterlagen sucht, verpasst oft entscheidende Details. Hier ist, was wirklich zählt:
- Erbrechtliche Dokumente: Das Testament, der Erbvertrag oder - wenn keiner existiert - die gesetzliche Erbfolge. Ohne einen Erbschein können Sie das Grundbuch nicht ändern. Dieser wird vom Nachlassgericht ausgestellt und ist die Grundlage für alles Weitere.
- Grundbuchbezogene Unterlagen: Der aktuelle Grundbuchauszug ist Ihr wichtigster Nachweis. Er zeigt, wer der aktuelle Eigentümer ist, ob Grundschulden oder Pfandrechte bestehen und ob es andere Miterben gibt. In 37 Prozent der Fälle führen unvollständige Auszüge zu Rückfragen vom Amtsgericht - das verzögert den Prozess um Wochen.
- Eigentumsnachweise: Der Kaufvertrag, Baugenehmigungen, Sanierungsunterlagen. Diese Dokumente beweisen, dass die Immobilie rechtsmäßig erworben wurde. Sie brauchen sie, um den Verkehrswert richtig zu ermitteln - und um später zu zeigen, dass Sanierungen nicht neu, sondern fortgeführt wurden.
- Steuerliche Unterlagen: Das Bewertungsgutachten ist entscheidend. Ein falscher Wert führt in 58 Prozent der Fälle zu überhöhten Steuerzahlungen - durchschnittlich 14.200 Euro pro Fall. Dazu kommen Steuerbescheide, Nachweise über frühere Schenkungen und die Prüfung der Freibeträge: Ehepartner haben 500.000 €, Kinder 400.000 €, Enkel 200.000 €. Die 10-Jahres-Regel für Eigenheimnutzung und die 2-Jahres-Frist für Sanierungsmaßnahmen sind oft vergessen - und führen zu verpassten Steuervorteilen.
- Personennachweise: Sterbeurkunde, Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Ausweise der Erben. Die Sterbeurkunde ist das erste Dokument, das Sie brauchen. In 42 Prozent der Fälle verzögern sich Verfahren, weil nur eine einfache Kopie eingereicht wurde - nicht die beglaubigte Version. Das Amtsgericht akzeptiert nur Original oder beglaubigte Kopie.
Erbschaft vs. Schenkung: Wo liegt der Unterschied?
Ob Sie erben oder geschenkt bekommen - viele Dokumente sind gleich. Aber die Prozesse unterscheiden sich in drei entscheidenden Punkten.
Bei einer Erbfolge beginnt alles mit dem Tod. Sie müssen das Nachlassgericht informieren, den Erbschein beantragen und die Erbschaftsteuererklärung abgeben. Die Fristen sind streng: Die Erbschaftsteuererklärung muss innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis des Todes eingereicht werden. Wenn Sie die Immobilie behalten wollen, müssen Sie innerhalb von zwei Jahren Sanierungsmaßnahmen starten, um den Freibetrag für Eigenheimnutzung zu nutzen.
Bei einer Schenkung ist der Zeitpunkt der Übergabe entscheidend. Der Schenker muss den Schenkungsvertrag notariell beurkunden - das ist gesetzlich vorgeschrieben. Sie als Empfänger müssen dann den Grundbuchauszug aktualisieren lassen. Die Steuerlast wird hier sofort fällig, nicht erst nach dem Tod. Die Freibeträge sind dieselben wie bei der Erbschaft, aber: Jede Schenkung innerhalb von zehn Jahren wird zusammengezählt. Wenn Ihr Vater Ihnen vor fünf Jahren schon 100.000 € geschenkt hat, bleibt Ihnen bei einer neuen Schenkung nur noch 300.000 € Freibetrag.
Ein häufiger Fehler: Viele denken, eine Schenkung sei steuerfrei. Sie ist es nur, wenn sie unter dem Freibetrag liegt. Und selbst dann: Die Immobilie muss im Grundbuch eingetragen werden - sonst bleibt der alte Eigentümer rechtlich verantwortlich.
Was andere Checklisten verschweigen
Im Internet finden Sie Hunderte von Checklisten - von Immobilienportalen, Anwaltblogs oder privaten Seiten. Doch die meisten sind veraltet oder unvollständig.
Ein Vergleich des Bundeszentrum für Steuern vom Mai 2024 ergab: 63 Prozent der kommerziellen Checklisten, etwa von Immowelt oder betterhomes.de, enthalten falsche Freibeträge. Die Zahlen von 2022 oder 2023 werden noch verwendet - obwohl die Gesetze seit 2024 geändert wurden.
Noch gravierender ist das Problem der digitalen Nachlasse. Laut einer Studie der Universität München aus Oktober 2023 fehlt die digitale Komponente in 87 Prozent aller Checklisten. Was ist mit dem Online-Brokerage-Konto? Der Cloud-Speicher mit den Hausplänen? Die Mietverträge, die nur digital existieren? Prof. Dr. Anja Schmidt von der Universität zu Köln warnt: „Bis 2030 werden 40 Prozent des privaten Vermögens digital sein. Wer das nicht berücksichtigt, erbt nur die Betonwand - nicht das gesamte Vermögen.“
Ein weiterer verborgener Risikofaktor: versteckte Grundschulden. Rechtsanwalt Thomas Froehle aus Stuttgart hat in seiner Analyse von 2024 festgestellt: In 31 Prozent der geerbten Immobilien gibt es Grundschulden, die nicht im Grundbuch stehen - oder die der Erblasser vergessen hat, abzulösen. Sie werden erst sichtbar, wenn Sie den Grundbuchauszug aktualisieren. Dann steht plötzlich ein Kredit von 80.000 € auf der Immobilie, den Sie plötzlich tragen.
So gehen Sie vor: Die 5 Phasen im Überblick
Die Checkliste ist nur so gut wie ihre Umsetzung. Hier ist der praktische Ablauf, wie ihn Notare und Nachlassgerichte empfehlen:
- Sofortmaßnahmen: Besorgen Sie die Sterbeurkunde bei der zuständigen Gemeinde (Bearbeitungszeit: bis zu 14 Tage). Informieren Sie das Nachlassgericht - nicht erst, wenn alles fertig ist. In Berlin-Mitte und Frankfurt gibt es seit 2024 digitale Antragsformulare.
- Dokumentensammlung: Sammeln Sie Testament, Grundbuchauszug, Kaufvertrag, Bauunterlagen. Fordern Sie den Grundbuchauszug direkt beim Grundbuchamt an - Kosten: 10 bis 20 €. Holen Sie sich den Erbschein. Dafür brauchen Sie alle Erben, die Geburtsurkunden und die Sterbeurkunde.
- Steuerliche Klärung: Lassen Sie die Immobilie von einem anerkannten Gutachter bewerten. Vergleichen Sie den Wert mit dem Verkehrswert des Grundbuches. Prüfen Sie, ob Sie die 10-Jahres-Regel nutzen können. Reichen Sie die Erbschaftsteuererklärung ein - mit allen Nachweisen.
- Grundbuchänderung: Mit dem Erbschein und der Steuerbescheinigung können Sie die Eintragung im Grundbuch beantragen. Hier wird auch geklärt: Wer wird neuer Eigentümer? Sind Grundschulden abzulösen? Wer trägt die Kosten?
- Langfristige Entscheidungen: Verkaufen? Bewohnen? Sanieren? Wenn Sie sanieren, müssen Sie innerhalb von zwei Jahren mit der Arbeit beginnen - sonst verlieren Sie den Steuervorteil. Wenn Sie verkaufen, prüfen Sie, ob die 10-Jahres-Frist für Gewinnfreistellung erfüllt ist.
Ein Laien-Erbe braucht durchschnittlich 17 Stunden für diesen Prozess. Mit professioneller Hilfe - etwa einem Steuerberater oder Notar - sinkt die Zeit auf 6,5 Stunden. Das lohnt sich, wenn Sie die Steuerlast minimieren und Fehler vermeiden wollen.
Was Sie auf keinen Fall vergessen dürfen
Ein paar Punkte tauchen immer wieder als Fehlerquelle auf. Hier sind die drei größten Fallstricke:
- Sterbeurkunde als einfache Kopie: Nur beglaubigte Kopien gelten. Die Gemeinde gibt sie gegen Gebühr aus - nehmen Sie gleich zwei mit.
- Grundbuchauszug ist nicht aktuell: Ein Auszug von 2023 ist wertlos. Fordern Sie immer einen neuen an - mit Datum vom Tag der Anfrage.
- Erbverhältnis unklar: Wenn mehrere Erben da sind, müssen Sie sich auf eine Aufteilung einigen. Ohne Einigung kann das Grundbuchamt nicht arbeiten. Ein Erbvertrag oder ein Notar hilft hier.
Und vergessen Sie nicht: Wenn der Verstorbene im Ausland lebte oder andere Vermögenswerte hatte, gilt die EU-Verordnung Nr. 650/2012. Das bedeutet: Die Rechtslage kann komplizierter sein. In 18 Prozent der Checklisten wird das nicht erwähnt - aber es ist entscheidend.
Was kommt als Nächstes? Die Zukunft der Checkliste
Die Digitalisierung schreitet voran. Seit Juli 2024 bietet das Nachlassgericht Frankfurt eine interaktive Online-Checkliste an. Sie fragt Sie nach Ihrem Fall - und listet automatisch die benötigten Dokumente auf. Der Deutsche Notarverein plant für Anfang 2025 eine KI-gestützte Bewertungshilfe, die den Verkehrswert aus Datenbanken berechnet.
Aber: Solange digitale Konten, Cloud-Accounts und Online-Mietverträge nicht in die Checkliste integriert sind, bleibt sie unvollständig. Die nächste Version muss das ändern - sonst verlieren Erben nicht nur Zeit, sondern auch Vermögen.
Die Checkliste ist kein Luxus - sie ist Ihr Schutzschild. Nutzen Sie die offizielle Version des Deutschen Notarvereins. Sammeln Sie alles - und fragen Sie nicht, ob es „wahrscheinlich“ nötig ist. Wenn es auf der Liste steht, brauchen Sie es. Denn im Erbrecht zählt nur: dokumentiert oder nicht dokumentiert. Nicht „ich dachte, das reicht“.
Benötige ich einen Notar, wenn ich eine Immobilie erbe?
Nein, Sie brauchen keinen Notar, um die Erbschaft anzunehmen. Aber: Wenn Sie den Erbschein beantragen, wenn mehrere Erben da sind, oder wenn Sie die Immobilie verkaufen oder schenken wollen, ist ein Notar unverzichtbar. Der Notar stellt den Erbvertrag aus, beurkundet die Einigung und leitet die Grundbuchänderung ein. Ohne ihn geht es bei Schenkungen nicht - und bei komplexen Erbfällen oft nicht einmal mit dem Grundbuchamt.
Wie lange dauert es, bis ich als neuer Eigentümer eingetragen bin?
Das hängt von der Vollständigkeit Ihrer Unterlagen ab. Wenn alles da ist - Erbschein, Grundbuchauszug, Steuerbescheinigung - dauert es in der Regel 4 bis 8 Wochen. Bei fehlenden Dokumenten, etwa einer beglaubigten Sterbeurkunde oder einem unvollständigen Grundbuchauszug, kann es leicht drei bis sechs Monate dauern. Die schnellsten Fälle wurden in Frankfurt und Berlin innerhalb von 14 Tagen abgewickelt - mit vollständiger Digitalisierung und vorbereiteter Checkliste.
Kann ich die Immobilie verkaufen, bevor ich sie im Grundbuch eingetragen bin?
Nein. Sie können nicht als Eigentümer verkaufen, wenn Ihr Name noch nicht im Grundbuch steht. Der Käufer würde kein Sicherheitsinteresse haben. Sie können aber einen Kaufvertrag vorbereiten und unterschreiben - aber die Übergabe erfolgt erst nach der Eintragung. Einige Notare bieten eine vorläufige Eintragung an - aber das ist teuer und nur in Ausnahmefällen möglich.
Was passiert, wenn ich die Erbschaftsteuer nicht zahle?
Die Finanzbehörde kann Sie zwingen, die Steuer nachzuzahlen - mit Zinsen und Strafen. Die Frist für die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung ist drei Monate nach Kenntnis des Todes. Wenn Sie sie nicht einreichen, beginnt die Zinslast. Wenn Sie die Steuer nicht zahlen, kann das Finanzamt die Immobilie zur Zwangsversteigerung bringen. Es gibt keine Verjährung - die Forderung bleibt bestehen, bis sie bezahlt ist.
Gibt es eine Möglichkeit, die Erbschaftsteuer zu vermeiden?
Sie können die Steuer nicht komplett vermeiden - aber reduzieren. Nutzen Sie die Freibeträge: Ehepartner 500.000 €, Kinder 400.000 €. Wenn Sie die Immobilie selbst bewohnen, können Sie die 10-Jahres-Regel nutzen - dann ist der Wert der Wohnung bis zu 200.000 € steuerfrei. Sanieren Sie innerhalb von zwei Jahren - dann können Sie bis zu 100.000 € Sanierungskosten vom steuerpflichtigen Wert abziehen. Ein guter Steuerberater kann Ihnen zeigen, wie Sie die Freibeträge optimal nutzen.
Was ist mit Vermögen im Ausland?
Wenn der Verstorbene im Ausland lebte oder Immobilien im Ausland besaß, greift die EU-Verordnung Nr. 650/2012. Sie bestimmt, welches Land das Erbrecht anwendet - meist das Land des letzten gewöhnlichen Aufenthalts. Das bedeutet: Sie müssen möglicherweise zwei Steuererklärungen abgeben - eine in Deutschland, eine im Ausland. Viele Checklisten ignorieren das. Prüfen Sie, ob der Verstorbene im Ausland wohnte oder Vermögen hatte. Falls ja, holen Sie sich rechtliche Hilfe - sonst drohen Doppelbesteuerung oder Strafen.
Atarah Sauter
Oktober 28, 2025 AT 21:51Ich hab vor 2 Jahren eine Wohnung geerbt und bin fast durch die Luft geflogen, weil ich dachte, die Sterbeurkunde reicht als Kopie. Nie wieder!
Die 10-Jahres-Regel hab ich auch verpasst und musste 18k mehr zahlen. Jetzt hab ich alles dokumentiert und schlafe wieder.
Wer das nicht macht, kriegt später nen Schlag aufs Dach. Einfach so.