Eingriffe in tragende Wände: Was Sie über Statiker und Genehmigungspflicht wissen müssen

Eingriffe in tragende Wände: Was Sie über Statiker und Genehmigungspflicht wissen müssen
Eingriffe in tragende Wände: Was Sie über Statiker und Genehmigungspflicht wissen müssen
  • von Benjamin Alisic
  • an 3 Dez, 2025

Wenn Sie in Ihrer Wohnung oder Ihrem Haus eine Wand durchbrechen, um ein offenes Wohnkonzept zu schaffen, denken viele nur an den neuen Raumfluss. Aber eine tragende Wand ist kein gewöhnlicher Putz. Sie hält das ganze Gebäude zusammen. Wer hier ohne Planung loslegt, riskiert nicht nur Strafen, sondern auch tragende Wände zu schwächen - mit möglichen Folgen für die ganze Bausubstanz.

Warum ist eine tragende Wand so gefährlich zu verändern?

  1. Tragende Wände übernehmen die Last von Decken, Dächern und anderen Wänden.
  2. Sie sind oft gleichzeitig aussteifend - also verhindern sie, dass das Gebäude sich seitlich verformt.
  3. In Altbauten vor 1949 erfüllen 68 % dieser Wände beide Funktionen gleichzeitig, wie eine Studie der TU München zeigt.
Wenn Sie eine solche Wand entfernen oder durchbrechen, ohne die Last neu zu verteilen, kann das Gebäude nachgeben. Es entstehen Risse, Türen klemmen, Decken neigen sich - und in extremen Fällen droht ein Einsturz. Das Bundesministerium des Innern warnt seit 2023 explizit: Jeder Eingriff in tragende Bauteile ist kein Heimwerkerprojekt, sondern ein statischer Eingriff mit rechtlichen Konsequenzen.

Genehmigungspflicht: Das ist in Deutschland vorgeschrieben

In Deutschland gibt es keine einheitliche Regelung - sondern 16 verschiedene Landesbauordnungen. Doch alle folgen demselben Prinzip: Kein Eingriff in tragende Wände ohne Genehmigung. Die Musterbauordnung (MBO) aus 2020 legt das Fundament fest. Jedes Bundesland hat sie umgesetzt - mit Unterschieden. Hier die wichtigsten Unterschiede:
Genehmigungsregelungen für Wanddurchbrüche in tragenden Wänden (Stand 2025)
Bundesland Genehmigungspflicht Bearbeitungszeit (Durchschnitt) Ausnahmen
Bayern Volle Genehmigung 8,3 Wochen Keine
Nordrhein-Westfalen Bauanzeige bis 1,5 m 4,7 Wochen Durchbrüche bis 1,5 m Breite
Baden-Württemberg Genehmigungsfrei mit Nachweis 6 Wochen Durchbrüche bis 2,0 m, wenn statischer Nachweis vorab eingereicht wird
Hessen Genehmigung bis 3 m 5,2 Wochen Reduzierte Prüfzeit bei Öffnungen unter 3 m
Berlin Volle Genehmigung 12,4 Wochen Keine

Wer glaubt, ein kleiner Durchbruch sei „nur ein bisschen Putz“, irrt. Selbst ein 80 cm breiter Durchbruch in einer tragenden Wand ist in Bayern, Berlin oder Sachsen genehmigungspflichtig. In NRW oder Baden-Württemberg gibt es Spielräume - aber nur, wenn der statische Nachweis vorliegt.

Wer muss das alles prüfen? Der Statiker

Ein Statiker ist kein Luxus - er ist Pflicht. Und zwar ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Nicht jeder Ingenieur oder Baumeister darf das. Nur wer vom Landesamt für Bau und Verkehr anerkannt ist, darf die nötigen Berechnungen erstellen und unterschreiben.

Was macht ein Statiker genau?

  1. Prüft, ob die Wand wirklich tragend ist (nicht immer offensichtlich!)
  2. Berechnet die Lasten, die auf die Wand wirken - inklusive Schnee, Möbel, Menschen.
  3. Bestimmt, welcher Träger nötig ist: HEA 120 für bis zu 1,20 m, HEB 160 oder stärker ab 2,50 m (DIN 1055-100).
  4. Legt fest, wie lang der Träger sein muss: mindestens 30 cm über die Öffnung hinaus (DGEB-Richtlinie).
  5. Erstellt den offiziellen Nachweis, der beim Bauamt eingereicht wird.

Ein Fehler hier hat Folgen. Prof. Dr. Hans-Jürgen Meißner von der RWTH Aachen sagt: „Eine Abweichung von nur 15 cm bei der Trägerlänge reduziert die Tragfähigkeit um bis zu 28 %.“ Das ist kein theoretisches Risiko - das ist ein echter Einbruch.

Technische Zeichnung einer tragenden Wand mit Lastpfaden und korrektem Stahlträgerersatz.

Kosten: Was kostet ein genehmigter Wanddurchbruch?

Die Kosten sind kein fester Preis - sie hängen von Größe, Material, Bundesland und Komplexität ab. Aber hier ist eine realistische Aufschlüsselung nach der IWU-Studie 2023:

  • Statiker-Prüfung (ist die Wand tragend?): 250-450 €
  • Statische Berechnung und Nachweis: 400-1.200 €
  • Bauamt-Gebühr: 150-400 € (je nach Bundesland)
  • Einbau des Stahlträgers: 1.500-4.000 €
  • Bauschutt-Entsorgung: 180-250 € pro Kubikmeter
  • Brandschutzmaßnahmen (bei Altbauten vor 1919): +1.850 €

Die Gesamtkosten liegen durchschnittlich bei 7.250 € - aber die Spanne reicht von 3.500 € bis über 15.000 €. Wer sparen will, indem er auf den Statiker verzichtet, riskiert nicht nur Geld - sondern auch die Sicherheit seines Zuhauses. Die Stiftung Warentest fand in 37 von 100 geprüften Fällen unzureichende Berechnungen. Das ist kein Einzelfall - das ist System.

Was passiert, wenn Sie ohne Genehmigung durchbrechen?

Sie denken: „Ich mache das schnell, und keiner merkt es.“

Dann kommt der Nachbar, der die Risse bemerkt. Oder der Bauamt-Kontrolleur, der zufällig vorbeikommt. Oder der Käufer, der später eine Baubescheinigung verlangt.

Die Konsequenzen sind schwerwiegend:

  • Bauverbot: Das Bauamt kann den Eingriff untersagen - und Sie zwingen, alles rückzubauen.
  • Rückbaukosten: Ein durchgebrochener Durchbruch kostet oft 10.000-15.000 € zum Rückbau - plus neue Statik.
  • Schadensersatz: Wenn Nachbarn Schäden haben, haften Sie persönlich.
  • Verkaufsblockade: Eine Immobilie mit unsachgemäßem Eingriff lässt sich nicht legal verkaufen - kein Notar unterschreibt.
  • Strafzahlungen: In einigen Bundesländern drohen Bußgelder bis zu 50.000 €.

Ein Fall aus Berlin: Ein Nutzer baute einen Durchbruch ohne Nachweis. Zwei Monate später kam die Abrechnung: 4.200 € für nachträgliche Brandschutzmaßnahmen - weil das Bauamt den ursprünglichen Antrag abgelehnt hatte. Er hatte schon betoniert, bevor er die Genehmigung hatte. Die Kosten? 11.500 € für den kompletten Rückbau.

Wohnungseigentum? Dann brauchen Sie noch mehr Zustimmungen

Wenn Sie in einer Eigentumswohnung wohnen, ist die Sache noch komplizierter. Der Wanddurchbruch betrifft nicht nur Ihre Wohnung - er verändert die Bausubstanz des gesamten Hauses.

Das Landgericht Itzehoe entschied 2021: Jeder Eingriff in tragende Wände in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) braucht die Zustimmung der Mehrheit der Eigentümer. In 43 % der Fälle führt das zu monatelangen Verzögerungen - manchmal zum Abbruch des Projekts.

Ein weiterer Punkt: Die WEG kann auch verlangen, dass Sie eine Sicherheitsleistung hinterlegen - also Geld, das bei Schäden einbehalten wird. Das ist nicht nur Formalität - das ist Schutz für alle.

Ein eingebrochener Wohnbereich neben einem unsichtbaren, sicheren Stahlträger.

Was Sie jetzt tun müssen: Der 5-Schritte-Plan

Wenn Sie wirklich einen Wanddurchbruch planen, dann machen Sie es richtig. So geht’s:

  1. Prüfen: Lassen Sie von einem Statiker prüfen, ob die Wand tragend ist. Kosten: 250-450 €.
  2. Berechnen: Der Statiker erstellt den statischen Nachweis - mit Trägertyp, Länge, Lasten. Kosten: 400-1.200 €.
  3. Antragen: Reichen Sie den Nachweis beim Bauamt ein. Gebühr: 150-400 €. Digitaler Antrag spart Zeit - 12 Bundesländer haben das bereits eingeführt.
  4. Warten: Planen Sie 7-12 Wochen ein. In Berlin: bis zu 12,4 Wochen. In NRW: 4-5 Wochen. Kein Eingriff vor Genehmigung!
  5. Bauen: Erst jetzt beginnt die Handwerksarbeit. Ein erfahrener Maurer braucht 3-4 Tage für einen 2-m-Durchbruch.

Ein Tipp von Fachbetrieben wie „Wanddurchbruch-Berlin“: Rechnen Sie 15 % der Gesamtkosten als Puffer ein. Unvorhergesehene Leitungen, versteckte Schwachstellen, unerwartete Materialien - das passiert in 73 % der Fälle.

Die Zukunft: Digitalisierung und strengere Regeln

2025 wird die Musterbauordnung novelliert. Ab Januar 2025 gilt: Bei Wohnungen über 100 m² Nutzfläche muss der statische Nachweis noch detaillierter sein. Die Bundesarchitektenkammer prognostiziert für 2024 einen Anstieg der Anträge um 12 % - wegen der Niedrigzinsphase und dem Trend zu offenen Wohnräumen.

Die Bauämter sind überlastet: 63 % leiden unter Personalmangel. Wer mit einem professionellen Statiker arbeitet, der schon oft mit dem Amt zusammenarbeitet, spart Zeit - durchschnittlich 2,1 Wochen. Das ist kein Bonus - das ist Überlebensstrategie.

Und die Warnung bleibt: Der Markt ist voll von unseriösen Anbietern, die „genehmigungsfrei“ versprechen. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat 67 von 100 solcher Angebote als rechtlich unhaltbar eingestuft. Sie verkaufen keine Lösung - sie verkaufen eine Zeitbombe.

Fazit: Sicherheit kostet - aber Unsicherheit kostet mehr

Ein Wanddurchbruch in einer tragenden Wand ist kein DIY-Projekt. Es ist ein komplexer, rechtlich und statisch hochsensibler Eingriff. Wer hier spart, riskiert sein Zuhause, seine Finanzen und seine Rechtssicherheit.

Die Lösung ist klar: Statiker einbinden. Genehmigung einholen. Zeit einplanen. Und nie, nie, nie ohne Nachweis beginnen.

Die Lebensdauer eines fachgerecht ausgeführten Wanddurchbruchs liegt bei 52 Jahren. Eine unsachgemäße Lösung hält durchschnittlich 18 Jahre - und zerstört dann den Wert Ihres Hauses. Es ist keine Frage des Geldes. Es ist eine Frage der Verantwortung.

Ist ein Wanddurchbruch in einer tragenden Wand immer genehmigungspflichtig?

Ja, grundsätzlich schon. In allen 16 Bundesländern Deutschlands ist ein Eingriff in eine tragende Wand genehmigungspflichtig. Einige Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg erlauben kleinere Durchbrüche (bis 1,5-2,0 m) nur dann ohne vollständige Genehmigung, wenn ein vollständiger statischer Nachweis vorab beim Bauamt eingereicht wird. Aber selbst dann ist keine Baugenehmigung entbehrlich - sie wird durch den Nachweis ersetzt. Es gibt keine Ausnahme ohne Nachweis.

Was passiert, wenn ich den Wanddurchbruch ohne Genehmigung mache?

Sie riskieren einen sofortigen Baustopp, eine Anordnung zum Rückbau - oft auf eigene Kosten. In vielen Fällen werden die Kosten für den Rückbau höher als der ursprüngliche Bau. Außerdem können Sie Bußgelder bis zu 50.000 € bekommen. Wenn Schäden an Nachbarwohnungen entstehen, haften Sie persönlich. Und: Die Immobilie lässt sich später nicht legal verkaufen - kein Notar akzeptiert eine Baubescheinigung mit illegalen Eingriffen.

Kann ich den Statiker selbst wählen, oder muss ich einen vom Bauamt nehmen?

Sie dürfen selbst einen öffentlich bestellten und vereidigten Statiker wählen - das ist Ihr Recht. Das Bauamt prüft nur den Nachweis, nicht den Statiker. Wichtig ist nur: Der Statiker muss offiziell anerkannt sein. Die Liste der zugelassenen Sachverständigen finden Sie bei Ihrem Landesbauamt oder über die Bundesingenieurkammer. Vermeiden Sie „Bauhandwerker mit Statik-Service“ - das ist oft illegal.

Warum brauche ich einen Stahlträger, wenn ich doch nur eine Wand durchbreche?

Weil die Last, die vorher von der Wand getragen wurde, jetzt woanders hin muss. Ohne Träger sackt die Decke ab, die Wände reißen, die Türen klemmen. Der Stahlträger (HEA, HEB) nimmt diese Last auf und leitet sie sicher auf die angrenzenden tragenden Elemente - z. B. die Wand neben dem Durchbruch oder die Bodenplatte. Er ersetzt die tragende Funktion der entfernten Wand. Ohne ihn ist der Durchbruch nicht statisch sicher - und damit illegal.

Wie lange dauert die Genehmigung für einen Wanddurchbruch?

Die Bearbeitungszeit variiert stark: In Berlin bis zu 12,4 Wochen, in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 4,7 Wochen, in Bayern 8,3 Wochen. Die durchschnittliche Wartezeit in Deutschland liegt bei 7,2 Wochen. Viele Bauherren unterschätzen das - und planen nur 3-4 Wochen ein. Das führt zu Verzögerungen, Kostenüberschreitungen und Stress. Planen Sie mindestens 10 Wochen ein, inklusive Zeit für Nachbesserungen.

2 Comments

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    Erin Byrne

    Dezember 3, 2025 AT 22:23

    Ich hab letztes Jahr einen Durchbruch gemacht – mit Statiker, mit Genehmigung, alles legal. War teuer, aber ich schlafe seitdem besser. Wer das nicht macht, der zahlt später doppelt. 😅

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    Alexander Balashov

    Dezember 4, 2025 AT 06:30

    Ich find’s gut, dass das so detailliert aufgeschrieben ist. Viele denken, das ist nur ‘ne Wand – aber nein, das ist wie eine Knochenoperation am Haus. 😅

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