- von Helmut Schröder
 - an 3 Nov, 2025
 
Stellen Sie sich vor: Sie haben ein altes Haus abgerissen, alles sauber verladen, den Container abgeholt - und plötzlich bekommt die Behörde eine Anzeige. Kein Übernahmeschein. Kein elektronischer Nachweis. Keine Dokumentation. Und plötzlich droht eine Strafe von bis zu 100.000 Euro. Das klingt übertrieben? Ist es nicht. Jedes Jahr werden in Deutschland Hunderte Bauunternehmen wegen fehlender oder falscher Nachweise bei Bauabfällen belangt. Die Nachweisverordnung ist kein empfehlenswerter Hinweis - sie ist Gesetz. Und wer sie ignoriert, handelt rechtswidrig.
Was ist die Nachweisverordnung wirklich?
Die Nachweisverordnung (NachwV) ist seit 2007 in Kraft und regelt, wie Abfälle - besonders gefährliche - nachgewiesen und dokumentiert werden müssen. Sie ist die konkrete Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG). Ihr Ziel ist einfach: Niemand darf Abfälle einfach „irgendwo“ abladen. Jeder Schritt, von der Entstehung bis zur endgültigen Entsorgung, muss nachvollziehbar sein.Das gilt besonders für Bauabfälle. Sie machen mehr als die Hälfte aller Abfälle in Deutschland aus. Und sie sind oft keine einfache Mischung aus Beton und Ziegelsteinen. Sie enthalten Asbest, Teer, Lacke, Schwermetalle oder chemisch behandeltes Holz - alles gefährlich, wenn es nicht richtig behandelt wird.
Die NachwV unterscheidet zwischen zwei Arten von Abfällen: gefährlich und nicht gefährlich. Und genau hier beginnt der größte Fehler in der Praxis.
Gefährlich oder nicht? Das ist die entscheidende Frage
Viele Bauunternehmen denken: „Wir haben nur Beton und Ziegel - das ist doch harmlos.“ Doch das stimmt nicht immer. Der Europäische Abfallartenkatalog (EAK) listet alle Abfallarten mit Nummern auf. Hier ein paar Beispiele:- 17 01 01: Gemischte Bau- und Abbruchabfälle - oft gefährlich, wenn sie mit Asbest oder Holzschutzmitteln vermischt sind
 - 17 01 03: Beton - nicht gefährlich
 - 17 01 04: Ziegel - nicht gefährlich
 - 17 01 07: Asbesthaltige Abfälle - hochgefährlich
 - 17 02 03: Bitumenhaltige Dachbahnen - gefährlich
 - 17 04 01: Lackierte Holz- und Metallteile - oft gefährlich
 
Ein Betonblock ist unschuldig. Ein Betonblock mit altem Teerdämmstoff darin? Gefährlich. Ein Ziegelstein mit Asbestputz? Gefährlich. Wer das nicht checkt, macht sich strafbar. Laut einer Studie des Instituts für Abfallwirtschaft (IWU) passiert das in fast 40 % der Fälle. Die Behörden prüfen nicht nur die Dokumente - sie nehmen auch Proben vor Ort. Und wenn sie was finden, was nicht dokumentiert ist, wird es teuer.
Was muss man wirklich tun? Der Praxis-Check
Wenn Sie als Bauunternehmer tätig sind, müssen Sie drei Dinge richtig machen:- Klassifizieren: Welche Abfälle fallen an? Nutzen Sie den EAK. Wenn Sie unsicher sind: Holen Sie eine Abfallanalyse von einem zugelassenen Labor. Das kostet 150-300 Euro - viel weniger als eine Strafe.
 - Dokumentieren: Bei gefährlichen Bauabfällen ist die elektronische Nachweisführung (eANV) Pflicht. Das bedeutet: Jeder Transport, jede Übergabe, jede Entsorgung muss über das GADSYS-System erfasst werden. Kein Papier, kein Ausdruck - nur elektronisch. Bei nicht gefährlichen Abfällen reicht ein einfacher Übernahmeschein mit Datum, Ort, Menge und Unterschrift.
 - Aufbewahren: Alle Nachweise - egal ob elektronisch oder papierbasiert - müssen drei Jahre lang aufbewahrt werden. Die Behörde kann sie jederzeit anfordern.
 
Wer das nicht macht, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Wer bewusst falsche Nachweise erstellt, begeht eine Straftat - mit bis zu fünf Jahren Haft.
Was ist GADSYS? Und warum ist es so nervig?
GADSYS ist das elektronische System, das alle Bundesländer gemeinsam betreiben. Es ist die einzige legal zulässige Plattform für die eANV. Sie müssen sich dort registrieren, eine Software anschaffen oder einen Dienstleister beauftragen, und Ihre Mitarbeiter schulen.Das klingt nach Aufwand - und ist es auch. Laut der Sonderabfallagentur Baden-Württemberg dauert es durchschnittlich 14 Tage, bis ein Unternehmen vollständig eingearbeitet ist. Die jährlichen Kosten für Software und Support liegen zwischen 500 und 3.000 Euro. Einige Firmen berichten von technischen Ausfällen, die bis zu 200 Arbeitsstunden im Jahr kosten.
Aber: Wer es nutzt, hat Vorteile. 76 % der Bauunternehmen, die GADSYS verwenden, sagen, dass sie jetzt sicherer sind. Sie wissen genau, wohin ihr Abfall geht. Sie können beweisen, dass sie nichts falsch gemacht haben. Und wenn ein Entsorger Betrug begeht - wie bei der Firma Schmidt GmbH in Stuttgart - können sie das nachweisen. Und so einen Schaden von 120.000 Euro vermeiden.
Was gilt für kleine Unternehmen?
Die NachwV gilt nicht für private Haushalte. Und auch nicht für Unternehmen, die weniger als zwei Tonnen gefährliche Abfälle pro Jahr erzeugen - da reicht ein einfacher Übernahmeschein.Das klingt gut. Aber: Wie viele Bauunternehmen wissen, ob sie diese Grenze überschreiten? Die meisten nicht. Und wenn sie es nicht wissen, riskieren sie alles. Ein einziger falsch klassifizierter Container mit Asbest reicht, um eine Strafverfolgung auszulösen.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie kritisiert, dass die digitale Pflicht kleine Firmen überfordert. Sie haben keine IT-Abteilung. Kein Fachpersonal. Kein Budget. Aber: Die Gesetze gelten für alle. Es gibt keine Ausnahme für „klein“. Die Lösung? Kooperation. Ein paar kleine Firmen können sich zusammenschließen und einen gemeinsamen GADSYS-Beauftragten engagieren. Oder einen Dienstleister beauftragen, der die Dokumentation für sie übernimmt - für einen festen Monatspreis.
Was ändert sich ab 2025?
Die EU will den Abfallnachweis weiter digitalisieren. Ab 2025 muss die Kommunikation zwischen Erzeuger, Transporteur und Entsorger komplett elektronisch erfolgen. Kein Papier mehr. Keine E-Mail-Belege. Keine Ausnahmen. Das GADSYS-System wird erweitert - und wird noch verbindlicher.Das Umweltbundesamt prognostiziert: Bis 2025 werden 92 % aller Bauabfälle elektronisch nachgewiesen. Das ist gut für die Umwelt. Aber es wird auch die Kluft zwischen großen und kleinen Unternehmen vergrößern. Wer nicht mitzieht, wird aus dem Markt gedrängt.
Was tun, wenn Sie unsicher sind?
Hier sind drei konkrete Schritte, die Sie sofort machen können:- Erstellen Sie eine Abfallbilanz für jedes Projekt. Notieren Sie: Welche Materialien fallen an? Woher kommen sie? Was ist vermutlich gefährlich?
 - Prüfen Sie die EAK-Nummern für jeden Abfalltyp. Nutzen Sie die offizielle Liste des Umweltbundesamts - nicht die Website Ihres Entsorgers.
 - Setzen Sie einen Ansprechpartner ein - jemanden, der die NachwV kennt. Das kann ein Mitarbeiter sein, ein externer Berater oder ein Dienstleister. Aber jemand, der verantwortlich ist.
 
Ein Bauunternehmen aus Leipzig hat vor zwei Jahren einen Fehler gemacht: Sie haben Asbestplatten als „nicht gefährlich“ deklariert. Der Entsorger hat sie auf einem Feld abgeladen. Die Behörde hat es herausgefunden. Die Strafe: 45.000 Euro. Und ein öffentlicher Vermerk im Abfallregister - der sie für zwei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausschloss.
Diese Geschichte passiert zu oft. Weil es einfacher ist, zu ignorieren, als zu prüfen. Aber im Abfallrecht gibt es keine „gute Absicht“. Nur Regeln. Und Konsequenzen.
Warum lohnt sich die Mühe?
Ja, die Nachweisverordnung ist kompliziert. Ja, sie kostet Zeit und Geld. Aber sie schützt Sie.Wenn Sie alles richtig machen, haben Sie:
- Einen klaren Nachweis, dass Sie gesetzestreu arbeiten
 - Eine bessere Kontrolle über Ihre Entsorgungsketten
 - Eine höhere Glaubwürdigkeit gegenüber Kunden und Behörden
 - Und vor allem: Keine Strafen, keine Gerichtsverfahren, keine öffentliche Bloßstellung
 
Die Bauwirtschaft ist ein Schlüsselsektor für die Kreislaufwirtschaft. 50 % der Abfälle kommen von uns. Wenn wir das nicht richtig machen, versagen wir nicht nur rechtlich - wir versagen ökologisch.
Die Nachweisverordnung ist kein Hindernis. Sie ist eine Chance. Eine Chance, sauber, transparent und professionell zu arbeiten. Und wer das tut, bleibt nicht nur rechtssicher - er bleibt wettbewerbsfähig.
Müssen private Hausbesitzer die Nachweisverordnung beachten?
Nein, private Hausbesitzer sind von der Nachweisverordnung ausgenommen, solange sie selbst Abfälle entsorgen - zum Beispiel durch einen privaten Containerdienst. Aber: Wenn Sie einen Bauunternehmer beauftragen, liegt die Verantwortung bei ihm. Sie als Auftraggeber müssen nicht dokumentieren, aber Sie sollten sicherstellen, dass Ihr Bauunternehmer die Nachweise ordnungsgemäß führt. Sonst laufen Sie Gefahr, als Mitverursacher in einer Strafverfolgung zu landen.
Was passiert, wenn ich einen Entsorger beauftrage, der keine Nachweise führt?
Sie bleiben verantwortlich. Die NachwV macht den Abfallerzeuger - also Sie - für den gesamten Entsorgungsweg verantwortlich. Selbst wenn der Entsorger Betrug begeht, können Sie haftbar gemacht werden, wenn Sie nicht nachgewiesen haben, dass Sie eine sorgfältige Auswahl getroffen haben. Fragen Sie nach dem elektronischen Nachweis, prüfen Sie die GADSYS-Registrierung des Unternehmens, und fordern Sie eine Kopie des Übernahmescheins an. Wer nicht prüft, macht sich mitschuldig.
Kann ich die Nachweise auch digital speichern?
Ja, und das ist sogar Pflicht bei gefährlichen Abfällen. Alle elektronischen Nachweise aus dem GADSYS-System werden automatisch gespeichert. Für nicht gefährliche Abfälle reicht ein digitaler Übernahmeschein - zum Beispiel als PDF mit digitaler Unterschrift. Wichtig: Die Daten müssen drei Jahre lang zugänglich sein und unverändert bleiben. Ein einfacher E-Mail-Ausdruck reicht nicht. Sie brauchen eine sichere, archivierte Form.
Was ist, wenn ich nicht weiß, ob ein Abfall gefährlich ist?
Dann machen Sie eine Abfallanalyse. Ein Labor prüft die Zusammensetzung und gibt Ihnen eine schriftliche Einordnung nach EAK-Nummer. Das kostet zwischen 150 und 300 Euro - aber es schützt Sie vor Strafen, die schnell fünf- oder sechsstellig werden. Es ist keine Option, „zu hoffen“. Es ist eine Pflicht, „nachzuweisen“.
Gibt es eine Liste mit zugelassenen Entsorgern?
Ja. Jede Landesbehörde führt eine Liste der zugelassenen Abfallwirtschaftsunternehmen. In Baden-Württemberg ist das die SAA, in Sachsen die Sächsische Abfallwirtschaftsbehörde. Prüfen Sie, ob Ihr Entsorger dort eingetragen ist. Und fragen Sie nach der GADSYS-Registrierungsnummer. Ein seriöser Entsorger gibt diese Informationen ohne Zögern heraus.