Wenn die Farbe an Ihren Wänden abblättert, ist das mehr als nur ein ästhetisches Problem. Es ist ein Warnsignal. Viele Menschen versuchen, das Problem einfach mit einem neuen Anstrich zu überdecken - doch nach wenigen Monaten ist der Schaden wieder da. Oft sogar schlimmer. Warum? Weil sie die Ursache nicht angegangen haben. Die echte Lösung beginnt nicht mit dem Pinsel, sondern mit der Analyse des Untergrunds.
Was steckt wirklich hinter abplatzender Farbe?
Abplatzende Farbe ist kein Zufall. Sie ist die Folge einer tiefgreifenden Störung im Mauerwerk. Die häufigsten Ursachen sind Feuchtigkeit, Salze oder eine schlechte Haftung des Untergrunds. Und jede davon verlangt eine andere Lösung.Bei aufsteigender Feuchtigkeit zeigt sich ein typisches Muster: Die Farbe löst sich vom Boden aus nach oben - oft bis zu einer Höhe von 1 bis 1,5 Metern. Die Wand fühlt sich feucht an, manchmal sind weißliche Krusten zu sehen. Das ist kein Zufall. Es ist Salz, das mit dem Wasser nach oben wandert und sich an der Oberfläche ablagert. Diese Salzausblühungen sind in Gebäuden über 80 Jahren in 35 % der Fälle der Hauptgrund für abplatzende Farbe. Selbst moderne Dispersionsfarben können nicht gegen diese chemische Zerstörung bestehen.
Andere Ursachen sind schlecht vorbereitete Untergründe. Eine Wand, die nicht grundiert wurde, oder eine, die noch feucht ist, wenn man streicht - das ist wie ein Haus ohne Fundament. Die Farbe haftet nicht. Laut einer Umfrage von Sanier.de aus dem Jahr 2024 sind 68 % der Eigenheimbesitzer, die selbst gestrichen haben, nicht auf die Grundierung gekommen. Nach sechs Monaten blättert die Farbe in bis zu 70 % der Fläche ab.
Und dann gibt es noch die Risse. Kleine Risse unter der Farbe, die man nicht sieht, aber die Feuchtigkeit nach innen leiten. Oder große Risse, die durch Setzungen oder Temperaturschwankungen entstanden sind. In den letzten Jahren sind diese Risse durch extreme Wetterbedingungen deutlich häufiger geworden. Laut der Technischen Universität Dresden hat sich die Rissbildung in Farbschichten seit den 1990er Jahren um 300 % erhöht. Die Wetterextreme zehren an den Materialien.
Die Untergrundanalyse: So geht’s professionell
Ein guter Maler sieht nicht nur die abgeplatzte Farbe. Er sieht den Untergrund. Und er misst. Denn was mit dem Auge nicht zu erkennen ist, zeigt das Messgerät.Der erste Schritt ist die visuelle Inspektion. Wo genau blättert die Farbe? Nur an einer Wand? Nur oben oder unten? Sind die Risse linear oder zufällig verteilt? Feuchte Flecken am Boden? Weiße Krusten? Diese Muster sind wie ein Fingerabdruck - sie verraten die Ursache.
Der zweite Schritt: Feuchtigkeitsmessung. Mit einem kapazitiven Messgerät, wie es von Wagner Electronics oder Protimeter verwendet wird, misst man den Feuchtegehalt des Mauerwerks. Werte über 15 % sind kritisch. Bei Innenwänden ist das ein klares Signal: Da läuft etwas schief. Wenn die Messung zeigt, dass die Wand trocken ist, aber die Farbe trotzdem abblättert, liegt das Problem woanders - meistens bei Salzen oder mangelnder Haftung.
Bei Verdacht auf Salze wird eine chemische Analyse durchgeführt. Die Ablagerungen werden abgenommen und untersucht. Salze reduzieren die Haftfestigkeit der Farbe um bis zu 45 %. Keine Farbe der Welt hält, wenn der Untergrund so geschädigt ist.
Der dritte Schritt: Haftprüfung. Mit einem Pull-off-Tester, wie dem Elcometer 510, wird die Kraft gemessen, die nötig ist, um einen Metallzylinder vom Untergrund zu reißen. Werte unter 0,5 MPa bedeuten: Der Untergrund ist zu schwach. Eine neue Farbschicht würde sofort wieder abfallen. Hier hilft nur eine gründliche Sanierung des Untergrunds - nicht ein neuer Anstrich.
Im Vergleich dazu ist die alte Klopfmethode - einfach mit dem Finger draufklopfen - fast nutzlos. Ihre Erfolgsquote liegt bei nur 42 %. Moderne Methoden wie thermografische Kameraaufnahmen (z. B. mit FLIR C5) kombiniert mit Feuchtigkeitsmessungen erreichen eine Treffsicherheit von 92 %. Das ist kein Luxus - das ist notwendig, um teure Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Was passiert, wenn man die Ursache ignoriert?
Viele Menschen denken: „Ich male einfach drüber.“ Das ist der häufigste Fehler - und auch der teuerste.Ein Interview mit Dipl.-Ing. Markus Richter von Mauerwerksdiagnose GmbH ergab: In 63 % der Fälle, die er analysiert hat, wurde die falsche Ursache angenommen. Das Ergebnis? Überflüssige Sanierungen. Durchschnittlich 2.300 Euro wurden für nichts ausgegeben. Der Schaden blieb. Die Farbe blätterte wieder ab. Und die eigentliche Ursache - vielleicht eine undichte Leitung oder eine fehlende Mauersperre - wurde nicht behoben.
Ein weiterer Irrtum: Die Übernutzung von elastischen Farben. Viele Handwerker und Heimwerker greifen zu diesen Produkten, weil sie „flexibel“ sind und Risse überbrücken sollen. Aber elastische Farben behindern die Feuchtigkeitsabfuhr. Sie versiegeln die Wand - und die Feuchtigkeit bleibt drin. In 28 % der Fälle, wie Dr. Thomas Berg vom Institut für Bauökologie feststellte, führt das zu neuen Problemen: Schimmel, Blasenbildung, noch mehr Abplatzungen.
Und dann ist da noch die Zeit. Viele glauben, nach zwei Tagen Trocknung sei alles gut. Aber bei aufsteigender Feuchtigkeit braucht eine Mauersperre bis zu 12 Monate, um vollständig zu wirken. Wer nach sechs Wochen streicht, der setzt sich selbst auf den Kopf. Die Farbe wird wieder abblättern - und diesmal ist der Schaden noch größer.
Die richtigen Sanierungsmaßnahmen: Schritt für Schritt
Wenn die Ursache bekannt ist, kann man handeln. Aber nur, wenn man die richtigen Schritte in der richtigen Reihenfolge macht.Schritt 1: Alte Farbe vollständig entfernen. Nicht abschaben. Nicht abreiben. Sondern komplett entfernen. Bei größeren Flächen hilft ein Heißluftgerät (300-500 °C). Bei kleinen Stellen ein mechanischer Abbeizer. Achtung: Bei Gebäuden vor 1970 könnte Blei in der Farbe enthalten sein. Dann darf man nicht selbst arbeiten - das ist gefährlich und rechtlich geregelt.
Schritt 2: Untergrund reinigen. Mit Hochdruckreiniger (max. 100 bar für Innenwände, 150 bar für Außenwände). Bei Algen oder Pilzen ein spezieller Algenentferner wie Mellerud mit 15 % Wirkstoffkonzentration. Alles muss staubfrei und fettfrei sein.
Schritt 3: Risse reparieren. Risse über 1 mm breit werden mit einem Fräser V-förmig ausgeschnitten. Dann wird mit einem Renoviermörtel wie Caparol Renosil aufgefüllt. Dieser hat eine Druckfestigkeit von 15 N/mm² und hält den Belastungen stand.
Schritt 4: Grundierung wählen - das ist entscheidend. Für salzhaltige Wände: Saniergrundierung mit Salzbindungsvermögen. Ein Beispiel ist die Remmers Silikonharz-Grundierung SG 003, die bis zu 120 Gramm Salz pro Quadratmeter binden kann. Für stark saugende Wände: eine haftvermittelnde Grundierung wie Caparol Haft Latex, die die Saugfähigkeit auf unter 0,5 kg/m² senkt. Keine Standardgrundierung - das ist der entscheidende Fehler vieler Heimwerker.
Schritt 5: Trocknungszeiten einhalten. Dispersionsfarben brauchen mindestens 24 Stunden pro Schicht bei 20 °C und 65 % Luftfeuchtigkeit. Wer das überschreitet, zerstört die Haftung. Die Trocknung ist kein Hindernis - sie ist Teil der Technik.
Was kostet eine professionelle Sanierung?
Eine Untergrundanalyse kostet zwischen 120 und 180 Euro pro Raum. Das klingt viel - aber es spart Geld. Denn ohne Analyse kostet die falsche Sanierung im Schnitt 2.300 Euro - und bringt keinen Erfolg.Die eigentliche Sanierung - also Entfernen, Reparieren, Grundieren, Streichen - kostet je nach Fläche und Zustand zwischen 25 und 45 Euro pro Quadratmeter. Für eine 80 m² Außenwand liegen die Gesamtkosten bei etwa 3.850 Euro, wie ein Nutzer auf Hausforum.de berichtet. Aber: Die Farbe blätterte danach nicht mehr ab - und das über zwei Jahre hinweg.
Im Vergleich dazu: Wer selbst versucht, es zu machen, spart zwar 2.000 Euro - aber muss nach sechs Monaten wieder anfangen. Die zweite Sanierung kostet dann 1.200 Euro - und die Farbe blättert trotzdem wieder. Die echte Ersparnis liegt in der Qualität - nicht im Preis.
Was sagt die Zukunft?
Die Technik entwickelt sich. Seit September 2025 gibt es die erste farblose Nanobeschichtung von Caparol: Capatec Nanoseal. Sie ist nur 0,1 mm dick, aber schützt zu 99,9 % vor Salzausblühungen. Das ist ein Durchbruch.Auch selbstheilende Farben werden getestet. Forscher an der Technischen Universität München haben Systeme entwickelt, die bei Rissen spezielle Polymere freisetzen - und die Risse quasi von selbst verschließen. In Laborversuchen reduzierten sie Abplatzungen um 78 %.
Aber: Je komplexer die Materialien werden, desto wichtiger wird die Fachkenntnis. Laut Prof. Dr. Klaus Meyer von der Universität Stuttgart ist der Anteil fehlerhafter Sanierungen durch unqualifizierte Handwerker von 18 % (2020) auf 32 % (2024) gestiegen. Die EU hat ab 2026 eine neue Regelung: Bevor man ein Gebäude energetisch sanieren darf, muss eine umfassende Feuchtigkeitsdiagnose erfolgen. Das wird den Markt bis 2028 um 22 % wachsen lassen.
Die Zukunft gehört nicht den billigsten Farben - sondern den besten Diagnosen. Wer die Ursache kennt, der kann dauerhaft reparieren. Wer nur die Symptome behandelt, der zahlt immer wieder.
Was tun, wenn man selbst anfängt?
Wenn Sie selbst streichen wollen - dann tun Sie es richtig. Hier ist die Checkliste:- Entfernen Sie die alte Farbe vollständig - nicht nur die abgeplatzten Stellen.
- Prüfen Sie die Wand mit einem Feuchtigkeitsmessgerät - kein Schätzen!
- Prüfen Sie auf Salzausblühungen - weiße Krusten? Dann brauchen Sie eine Saniergrundierung.
- Reparieren Sie alle Risse über 1 mm - mit Renoviermörtel, nicht mit Spachtelmasse.
- Wählen Sie die richtige Grundierung - nicht die billigste.
- Warten Sie mindestens 24 Stunden zwischen den Anstrichen - bei Feuchtigkeit länger.
- Streichen Sie nicht bei Temperaturen unter 10 °C oder über 30 °C.
- Wenn Sie unsicher sind - holen Sie sich eine professionelle Analyse. 150 Euro sparen Sie jetzt, aber 2.000 Euro verlieren Sie später.
Abplatzende Farbe ist kein Problem, das man übermalt. Sie ist ein Zeichen. Hören Sie auf das Zeichen. Analysieren Sie. Handeln Sie. Dann bleibt Ihre Wand lange schön - und Sie sparen Geld.
Warum blättert meine Farbe nur an einer Wand ab?
Wenn die Farbe nur an einer Wand abblättert, liegt das meistens an einer lokalen Feuchtigkeitsquelle - etwa einer undichten Leitung, einer fehlenden Dämmung oder aufsteigender Feuchtigkeit. Prüfen Sie, ob die Wand auf dem Erdreich aufliegt oder ob sie eine Außenwand ist. Messen Sie die Feuchtigkeit mit einem Gerät. Eine einzelne betroffene Wand ist oft ein Hinweis auf eine spezifische Schadensursache - nicht auf ein allgemeines Problem.
Kann ich abplatzende Farbe einfach mit Spachtelmasse reparieren?
Nein. Spachtelmasse ist nur für kleine Unebenheiten geeignet. Wenn die Farbe abblättert, ist die Haftung des Untergrunds beschädigt. Spachteln überdeckt nur das Symptom - nicht die Ursache. Die neue Farbe wird nach kurzer Zeit wieder abblättern. Richtig ist: Alte Farbe entfernen, Untergrund prüfen, reparieren, grundieren - dann erst streichen.
Was ist der Unterschied zwischen Saniergrundierung und normaler Grundierung?
Normale Grundierungen verbessern nur die Haftung. Saniergrundierungen binden Salze und verhindern, dass diese nach oben wandern. Sie sind speziell für feuchte, salzhaltige Wände entwickelt. Wenn Ihre Wand weiße Krusten hat, ist eine normale Grundierung nutzlos. Nur eine Saniergrundierung wie Remmers SG 003 oder Caparol Saniergrund kann hier helfen - und das ist ein entscheidender Unterschied.
Warum hilft eine elastische Farbe nicht bei abplatzender Farbe?
Elastische Farben sind flexibel - aber sie versiegeln die Wand. Feuchtigkeit kann nicht mehr entweichen. Wenn die Ursache Feuchtigkeit ist, bleibt sie im Mauerwerk und sammelt sich hinter der Farbe. Das führt zu Blasenbildung, Schimmel und noch mehr Abplatzungen. Elastische Farben sind nur sinnvoll, wenn die Ursache Risse durch Temperaturschwankungen sind - und nur, wenn die Wand trocken ist.
Wie lange dauert eine vollständige Sanierung?
Eine professionelle Sanierung dauert durchschnittlich 4,7 Wochen - inklusive Trocknungszeiten. Das ist viel länger als ein schneller Anstrich. Aber es ist die einzige Möglichkeit, dauerhaft zu reparieren. Wer in zwei Wochen fertig sein will, wird nach sechs Monaten wieder anfangen müssen. Die Zeit ist kein Hindernis - sie ist die Voraussetzung für Erfolg.
Ist abplatzende Farbe gefährlich?
Die Farbe selbst ist meistens nicht gefährlich - aber die Ursache schon. Feuchtigkeit führt zu Schimmel, der gesundheitsschädlich ist. Salze können das Mauerwerk langfristig zerstören. Und in Gebäuden vor 1970 könnte die alte Farbe Blei enthalten - das ist hochgiftig. Wenn Sie alte Farbe entfernen, tragen Sie Schutzkleidung und belüften Sie den Raum. Bei Zweifeln: Fachmann hinzuziehen.