- von Benjamin Alisic
- an 14 Nov, 2025
Wenn du ein Haus baust oder sanierst, gehst du davon aus, dass du den Plan genau umsetzen kannst - mit dem Geld, das du dir ausgerechnet hast. Doch in der Realität passiert es immer öfter: Die Kosten steigen, und plötzlich reicht dein Kredit nicht mehr. Das ist keine Ausnahme mehr - Nachfinanzierung ist heute Standard bei fast jedem dritten Bauvorhaben in Deutschland. Doch was bedeutet das wirklich für deine Geldbörse? Und gibt es Wege, das zu vermeiden?
Warum brauchst du überhaupt eine Nachfinanzierung?
Die Gründe sind oft nicht spektakulär, aber teuer. Einige Beispiele aus der Praxis: Du hast Laminat geplant, aber am Ende willst du Echtholzparkett. Die Lieferung der Fenster verzögert sich - und die Bauzeit verlängert sich um drei Monate. Oder du stößt bei der Bodenplatte auf eine Wasserader, die du nicht eingeplant hattest. Das kostet Geld. Und zwar viel mehr, als du gedacht hast. Laut dem Statistischen Bundesamt sind die Baukosten in Deutschland seit 2020 um 28,5 Prozent gestiegen. Besonders betroffen sind Materialien: Stahlbeton kostet 32 Prozent mehr, Holz sogar 41 Prozent. Das sind keine kleinen Zahlen. Wenn du 2021 einen Kredit für 250.000 Euro aufgenommen hast, reicht der heute nicht mehr - du brauchst mindestens 320.000 Euro. Das ist kein Einzelfall. Im ersten Halbjahr 2023 stiegen die Anfragen nach Nachfinanzierungen bei Banken um 47 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Fast jeder dritte Bauherr muss nachzahlen.Wie funktioniert eine Nachfinanzierung?
Eine Nachfinanzierung ist kein kleiner Zusatzkredit. Sie ist ein neuer Kredit - mit neuen Regeln. Die Bank prüft dich komplett neu: Gehalt, Schufa, Vermögen, Altersvorsorge. Du musst neue Unterlagen einreichen: aktualisierte Bauverträge, neue Kostenaufstellungen, eine aktuelle Immobilienbewertung. Der Prozess dauert 4 bis 6 Wochen. Währenddessen läuft die Baustelle oft still - und du zahlst weiter Miete. Der große Unterschied zur Erstfinanzierung: Die Nachfinanzierung ist nachrangig eingetragen. Das bedeutet: Wenn dein Haus versteigert werden müsste, zahlt die Bank, die den ersten Kredit gegeben hat, zuerst. Die Nachfinanzierungsbank kommt erst danach. Weil das riskanter ist, verlangen die Banken höhere Zinsen. Die durchschnittlichen Zinsen für eine Nachfinanzierung liegen bei 5,5 Prozent - fast doppelt so hoch wie bei der Erstfinanzierung mit 2,9 Prozent.Was kostet eine Nachfinanzierung wirklich?
Ein Beispiel: Du hast 280.000 Euro geborgt, mit 2,9 Prozent Zinsen, 3 Prozent Tilgung. Deine monatliche Rate: 1.550 Euro. Dann brauchst du 25.000 Euro zusätzlich. Die Bank gibt dir diesen Betrag als separaten Kredit mit 5,5 Prozent Zinsen über 5 Jahre. Deine neue Rate: 480 Euro mehr. Also 2.030 Euro monatlich. Das ist eine Steigerung von fast 31 Prozent - obwohl der zusätzliche Betrag nur 8,9 Prozent der ursprünglichen Summe ausmacht. Und das ist nur der Anfang. Dazu kommen Grundbuchkosten: etwa 1,2 Prozent der Nachfinanzierungssumme. Bei 25.000 Euro sind das 300 Euro. Gebühren für die Kreditvermittlung? Oft noch mal 500 bis 1.000 Euro. Und wenn du den Kredit bei einer anderen Bank nimmst, musst du sogar eine neue Grundbuchberechtigung eintragen lassen - das kostet noch mehr. Ein Bauherr aus Berlin berichtete auf finanztip.de, dass ihm eine Nachfinanzierung von 18.500 Euro mit 6,2 Prozent Zinsen angeboten wurde - sein Erstkredit hatte nur 2,7 Prozent. Das bedeutet: Er zahlt 3,5 Prozentpunkte mehr. Über 15 Jahre macht das mehr als 15.000 Euro Mehrkosten. Und das nur für 18.500 Euro Zusatzkredit.
Welche Arten von Nachfinanzierungen gibt es?
Nicht jede Nachfinanzierung ist gleich. Es gibt drei Hauptformen:- Aufstockung des bestehenden Kredits: Du bleibst bei deiner aktuellen Bank. Die bestehende Finanzierung wird um den zusätzlichen Betrag erweitert. Der Vorteil: Du hast nur eine Rate. Der Nachteil: Die Bank verlangt oft einen Zinsaufschlag von 0,5 bis 1,0 Prozentpunkte - und eine vollständige Neubewertung.
- Separatendarlehen bei derselben Bank: Du bekommst einen zweiten Kredit, getrennt vom ersten. Die Rate steigt um den vollen Betrag. Die Zinsen liegen oft bei 2 bis 3 Prozentpunkten über dem Erstzins. Das ist teuer, aber einfach.
- Kredit bei einer anderen Bank: Du wechselst. Der Vorteil: Du kannst vielleicht bessere Konditionen aushandeln. Der Nachteil: Du zahlst doppelte Grundbuchkosten, hast zwei Raten, und die Zinsen liegen oft bei bis zu 7 Prozent. Die meisten Bauherren bereuen das.
Was ist die beste Alternative zur Nachfinanzierung?
Die beste Nachfinanzierung ist die, die du nicht brauchst. Und die gibt es: die Reserveoption. Viele Bauherren planen zu knapp. Experten wie Capital und Verivox empfehlen: Plane von Anfang an 3 bis 5 Prozent der Gesamtsumme als Puffer ein. Bei einem Projekt mit 300.000 Euro sind das 9.000 bis 15.000 Euro. Diese Summe musst du nicht sofort abrufen. Du vereinbarst sie mit deiner Bank - und sie steht bereit, wenn du sie brauchst. Und du zahlst nur Zinsen auf den tatsächlich genutzten Betrag. Noch besser: Die sogenannte „Reserveoption“. Einige Banken wie die Schwaebisch Hall Bank oder die Volksbank Raiffeisenbank bieten heute Modelle an, bei denen du für eine kleine Gebühr (oft 0,5 Prozent der Darlehenssumme) eine Option auf bis zu 7 Prozent zusätzliche Finanzierung zu nur 1,0 Prozentpunkten Zinsaufschlag sichern kannst. Ein Bauherr aus Stuttgart berichtete, dass er so mit 0,3 Prozentpunkten Zinsaufschlag auskam - statt der sonst üblichen 2,5 Prozentpunkte. Das spart Tausende. Ein weiterer Tipp: Nutze die „Kostensteigerungsgarantie“. Die Schwaebisch Hall Bank bietet seit September 2023 eine Garantie an: Bis zu 10 Prozent Nachfinanzierung zu den ursprünglichen Konditionen - wenn die Kostensteigerung durch Marktbedingungen verursacht wurde. Das ist eine der seltenen, echten Lösungen.Was passiert, wenn du keine Nachfinanzierung bekommst?
Wenn die Bank deine Nachfinanzierung ablehnt, hast du ein Problem. Entweder du stoppst den Bau - und verlierst Geld. Oder du zahlt aus eigener Tasche - und riskierst deine finanzielle Stabilität. Oder du nimmst einen teuren Privatkredit - mit Zinsen von 10 Prozent und mehr. Das ist die schlimmste Option. Viele Bauherren unterschätzen die Folgen: Sie zahlen monatlich mehr, haben weniger Spielraum für Unvorhergesehenes, und ihre Kreditwürdigkeit leidet. Die Bundesbank warnt vor einer „versteckten Risikoaufblähung“: Wenn zu viele Menschen plötzlich höhere Raten nicht mehr zahlen können, steigt die Ausfallquote bei Baufinanzierungen. Das ist kein Theorie - das passiert bereits.
Was kannst du jetzt tun?
Wenn du noch nicht gebaut hast:- Plane 5 Prozent mehr als deine geschätzte Bausumme ein - als Reserve.
- Frag nach einer Reserveoption bei deiner Bank - nicht alle bieten sie an, aber einige tun es.
- Vermeide unnötige Materialwechsel während der Bauzeit.
- Verträge mit Bauunternehmen so schreiben, dass Preiserhöhungen nur bei offiziellen Materialpreissteigerungen möglich sind.
- Sprich sofort mit deiner Bank - nicht erst, wenn die Baustelle stillsteht.
- Verlange eine schriftliche Kostenaufstellung - mit Belegen für jede Kostensteigerung.
- Prüfe, ob du deine Reserveoption nutzen kannst.
- Wenn du eine andere Bank ansprichst: Rechne die Gesamtkosten durch - nicht nur die Zinsen.
Wie vermeidest du teure Fehler?
Die häufigsten Fehler:- „Ich schaffe das schon mit meinem Geld.“ - Das ist der größte Irrtum. Die meisten Bauherren haben keine Rücklagen.
- „Ich hole mir das Geld von den Eltern.“ - Das löst ein Problem, schafft aber neue: Familiäre Spannungen, unklare Rückzahlungsbedingungen.
- „Ich warte noch ein bisschen.“ - Verzögerungen kosten Geld. Eine Nachfinanzierung dauert 6 Wochen. In dieser Zeit läuft die Baustelle nicht - und du zahlst weiter Miete.
- „Ich nehme den billigsten Kredit.“ - Der billigste Kredit ist oft der teuerste, wenn er nachrangig ist und hohe Gebühren hat.
Frequently Asked Questions
Ist eine Nachfinanzierung immer teurer als die Erstfinanzierung?
Ja, fast immer. Die Zinsen für Nachfinanzierungen liegen durchschnittlich 2,5 bis 3 Prozentpunkte höher als beim Erstkredit. Das liegt an der nachrangigen Eintragung im Grundbuch - die Bank sieht das als höheres Risiko an. Auch die Gebühren sind höher. Selbst wenn du die gleiche Bank nimmst, zahlst du mehr. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie die neuen Kostensteigerungsgarantien von einigen Banken.
Kann ich eine Nachfinanzierung auch nach dem Bau abschließen?
Ja, das ist möglich. Auch nach Fertigstellung des Hauses kannst du eine Nachfinanzierung beantragen - zum Beispiel, wenn du die Innenausstattung nachträglich teurer gestaltet hast oder Renovierungen geplant sind. Die Bank prüft dann deine aktuelle Kreditwürdigkeit und den aktuellen Wert der Immobilie. Die Bedingungen sind ähnlich wie bei einer Nachfinanzierung während des Baus.
Was passiert, wenn ich die Rate nicht mehr zahlen kann?
Wenn du deine Rate nicht mehr zahlen kannst, droht die Zwangsvollstreckung - und im schlimmsten Fall die Zwangsversteigerung deiner Immobilie. Die Bank, die den ersten Kredit gegeben hat, hat Vorrang. Die Nachfinanzierungsbank kommt erst danach. Das bedeutet: Selbst wenn du nur den zusätzlichen Kredit nicht zahlen kannst, kann die Bank dein Haus versteigern, um ihren Anteil zu sichern. Viele Bauherren unterschätzen diese Gefahr.
Wie lange dauert eine Nachfinanzierung?
Der Prozess dauert in der Regel 4 bis 6 Wochen. Das liegt an der Neubewertung deiner Kreditwürdigkeit, der neuen Immobilienbewertung und den Grundbuchänderungen. Während dieser Zeit kann der Bau stillstehen - was weitere Kosten verursacht. Deshalb: Plane frühzeitig. Sprich mit deiner Bank, sobald du merkst, dass die Kosten steigen - nicht erst, wenn du keine Materialien mehr liefern kannst.
Gibt es staatliche Unterstützung bei Nachfinanzierungen?
Nein, es gibt keine staatlichen Zuschüsse oder Fördermittel speziell für Nachfinanzierungen. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) gilt nur für Energieeinsparmaßnahmen - nicht für Materialwechsel oder Verzögerungen. Auch KfW-Kredite für Neubauten können nicht nachträglich aufgestockt werden. Du bist also auf private Finanzierungswege angewiesen.