- von Helmut Schröder
- an 16 Nov, 2025
Beim Immobilienkauf geht es nicht nur um den Preis, die Lage oder das Aussehen der Wohnung. Der wahre Wert einer Immobilie zeigt sich erst, wenn man sie gründlich prüft. Viele Käufer denken, ein Blick auf die Fassade oder ein kurzer Rundgang mit dem Makler reicht aus. Doch das ist ein riskantes Spiel. Laut einer Umfrage von ImmowertReal aus März 2024 haben 68 % der Käufer auf einen Bausachverständigen verzichtet - und später durchschnittlich 18.500 Euro für unerwartete Reparaturen bezahlt.
Warum ein Bausachverständiger nicht nur sinnvoll, sondern notwendig ist
Ein Bausachverständiger ist kein Luxus, sondern eine Versicherung gegen teure Überraschungen. Er prüft, was der bloße Blick nicht sieht: versteckte Feuchtigkeit im Keller, alte Bleirohre, mangelhafte Dämmung oder falsch verlegte Elektroleitungen. Diese Mängel sind nicht nur teuer zu beheben - sie können auch gesundheitliche Risiken bergen. Laut der Deutschen Sachverständigen Gesellschaft für Gebäudebewertung (DSGV) muss ein zertifizierter Sachverständiger mindestens zehn Jahre Berufserfahrung nachweisen und über 100 Gutachten abgegeben haben. Nur so darf er als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger (öbuv) arbeiten. Diese Zertifizierung ist kein Marketing-Gimmick. Sie garantiert, dass der Gutachter nach bundesweit einheitlichen Standards arbeitet und seine Bewertung vor Gericht standhält. Ein selbstständiger Makler oder ein Bauhandwerker, der mal ein Haus gebaut hat, kann das nicht ersetzen. Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Immobilienwirtschaft (DGW) aus März 2024 zeigt: Ein zertifizierter Bausachverständiger erkennt 83 % mehr schwerwiegende Mängel als ein Makler. Während Makler im Durchschnitt nur 12 von 27 kritischen Prüfpunkten abdecken, prüft ein qualifizierter Sachverständiger alle 27 - systematisch und dokumentiert.Was ein Bausachverständiger wirklich prüft: Die 27 Kernpunkte
Ein umfassendes Gutachten geht weit über die Optik hinaus. Hier sind die wichtigsten Prüfbereiche, die jeder seriöse Gutachter abdecken muss:- Dachkonstruktion: Zustand der Ziegel, Dachbalken, Dachrinne, Dichtigkeit, Luftdurchlässigkeit, Feuchtigkeitsspuren im Dachstuhl
- Außenwände: Dämmungsdicke, Risse, Feuchtigkeitseintritt, Putzbeschaffenheit, Anschlüsse an Fenster und Türen
- Rohrsysteme: Alter der Wasser- und Abwasserleitungen - bei Rohren über 30 Jahren ist Erneuerung nötig
- Elektroinstallation: Zustand der Leitungen, Erdungsprotokoll (muss alle 4 Jahre aktualisiert werden), Verteilerkasten, Schutzschalter
- Gründung und Sockel: Risse, Feuchtigkeit, fehlende Abdichtung, Schäden durch Bodenbewegung
- Badabdichtung: Ist die Dichtung noch intakt? Oder ist Wasser schon in die Wand eingedrungen?
- Ringanker: Sind sie vorhanden? Fehlen sie, ist das Haus seismisch unsicher
- Energetische Bewertung: Gemäß DSGV-Leitlinien ab Januar 2024 muss der Energieausweis mit dem tatsächlichen Zustand abgeglichen werden
- Keller: 34 % der schwerwiegenden Mängel liegen in nicht zugänglichen Bereichen - der Keller ist oft der kritischste Raum
- Dachboden: Dämmung, Holzschäden durch Schädlinge, Lüftung, Feuchtigkeit
- Fenster und Türen: Dichtigkeit, Isolierung, Alter der Verglasung, Beschläge
- Bodenbeläge: Unterfütterung, Feuchtigkeitsschäden darunter, Risse, Unebenheiten
- Heizung: Alter, Effizienz, Schadstoffe, Abgasführung
- Altlasten: Ist das Grundstück belastet? Öl, Asbest, Schwermetalle?
- Baulasten: Sind Rechte Dritter eingetragen? Zum Beispiel Wegerechte, Leitungsrechte, Denkmalschutzauflagen
- Wohnfläche: Ist die angegebene Fläche korrekt berechnet? Oft wird sie übertrieben
- Abwasseranlage: Zustand der Kanalisation, Verstopfungsanfälligkeit, Anschluss an öffentliches Netz
- Wärmebrücken: Mit thermografischer Kamera erkannt - häufige Ursache für hohe Heizkosten
- Feuchtigkeitsschäden: Nicht nur sichtbar, sondern auch in der Wandstruktur gemessen
- Standsicherheit: Tragfähigkeit der Wände, Fundamente, Bodenbeschaffenheit
- Unterschlagene Bauteile: Ist alles gebaut, was in der Baugenehmigung steht?
- Wohnraumqualität: Lüftung, Schallisolierung, Tageslicht, Raumhöhe
- Barrierefreiheit: Ist der Zugang für ältere oder behinderte Menschen möglich?
- Technische Anlagen: Lüftung, Solaranlage, Smart-Home-Systeme - funktionieren sie?
- Dokumentation: Sind alle Unterlagen vollständig und aktuell?
Ein guter Gutachter braucht 3-4 Stunden für ein Einfamilienhaus. Er misst die Räume selbst, macht Fotos, nimmt Proben, prüft mit Messgeräten und dokumentiert alles. Die Kosten liegen zwischen 0,3 % und 0,5 % des Kaufpreises. Bei einer Immobilie zu 400.000 Euro sind das 1.200 bis 2.000 Euro - ein kleiner Preis für Sicherheit.
Was Sie vor der Besichtigung tun müssen: Die 15 Dokumente
Ein Bausachverständiger kann nur so gut arbeiten wie die Unterlagen, die ihm gegeben werden. Ohne die richtigen Papiere ist das Gutachten wertlos. Hier ist die Checkliste, die Sie vor dem Termin zusammenstellen müssen:- Aktueller Grundbuchauszug (Abteilung I, II und III)
- Liegenschaftskarte
- Baugenehmigung mit allen Auflagen
- Protokolle der letzten 3 Eigentümerversammlungen (bei Wohnungseigentum)
- Wirtschaftsplan
- Mieteinnahmen (wenn vermietet)
- Höhe des monatlichen Hausgelds
- Wohnflächenberechnung nach WoFlV
- Kubatur des Gebäudes
- Grundrisse mit Maßangaben
- Ansichten und Schnitte des Gebäudes
- Baubeschreibung
- Aktueller Bodenrichtwert
- Unterlagen zur Hausentwässerung
- Energieausweis (nicht nur vorlegen - prüfen, ob er mit dem Zustand übereinstimmt)
Die Sammlung dieser Unterlagen kostet Zeit - oft 8 bis 12 Stunden. Aber ohne sie kann der Gutachter nicht die volle Leistung erbringen. Besonders kritisch: der Grundbuchauszug. Laut Immowerthessen haben 63 % der Käufer das Baulastenverzeichnis nicht geprüft - und später überraschend hohe Kosten für Wegerechte oder Leitungsrechte bezahlt.
Was Sie beim Auswahl des Sachverständigen beachten müssen
Nicht jeder, der sich „Bausachverständiger“ nennt, ist auch einer. Hier sind die drei wichtigsten Kriterien:- Öffentlich bestellt und vereidigt? Nur dann ist er gesetzlich verpflichtet, neutral und unabhängig zu arbeiten. Prüfen Sie seine Zulassung über die Handwerkskammer oder die DSGV-Website.
- Er macht eine persönliche Besichtigung? Laut BVS-EV-Dokument 6177392b53404 ist eine Besichtigung Pflicht. Wer nur Fotos oder Unterlagen prüft, leistet keine echte Bewertung.
- Er verwendet moderne Technik? Thermografie, Feuchtigkeitsmessgeräte, Endoskope - diese Tools erhöhen die Genauigkeit. Laut Immowerthessen stieg die Nutzung von thermografischen Kameras 2023 um 47 %.
Vermeiden Sie Pauschalangebote. Ein Gutachten, das für 500 Euro angeboten wird, ist kein Gutachten - es ist ein Formular. Ein seriöser Sachverständiger rechnet nach Aufwand, nicht nach Pauschale. Die Kosten sind hoch, aber sie lohnen sich. Laut einer Umfrage von Immowerthessen konnten 76 % der Käufer, die einen Sachverständigen beauftragt hatten, den Kaufpreis um durchschnittlich 8,7 % senken - oft mehr als die Gutachterkosten.
Was passiert nach der Besichtigung?
Nach der Prüfung erhalten Sie ein schriftliches Gutachten - nicht nur eine Liste mit „Mängeln“. Ein ordentliches Gutachten enthält:- Bruttogrundfläche und Geschossfläche
- Baujahr und Bauweise
- Detaillierte Beschreibung jedes Mankos
- Empfehlungen zur Instandsetzung
- Kostenabschätzung für Reparaturen
- Wertgutachten mit Verkehrswert
- Unterschrift und Zertifikatsnummer des Sachverständigen
Wenn das Gutachten nur sagt: „Dach ist in schlechtem Zustand“, ist es unbrauchbar. Es muss genau sagen: „Dachziegel aus 1987, 37 % beschädigt, Unterspannbahn undicht, Holztragwerk mit Schimmelbefall im Bereich der Dachgauben.“ Nur so können Sie verhandeln - oder den Kauf stornieren.
Was viele Käufer falsch machen - und wie Sie es vermeiden
Die häufigsten Fehler beim Immobilienkauf sind nicht technisch, sondern organisatorisch:- Keine Dokumente vorbereitet: 63 % prüfen das Baulastenverzeichnis nicht.
- Kein Grundbuchauszug vor der zweiten Besichtigung: 57 % vergessen das - und entdecken zu spät, dass das Haus belastet ist.
- Altlasten ignoriert: 49 % fragen nicht nach Bodenuntersuchungen - und riskieren teure Sanierungskosten später.
- Keine Nachbesichtigung: Ein Gutachten ist kein Einmal-Ereignis. Wenn Sie nach der Besichtigung noch Fragen haben, vereinbaren Sie eine zweite Kontrolle - besonders wenn Reparaturen geplant sind.
- Vertrauen auf den Makler: Makler verdienen am Verkauf. Sie sind kein neutraler Prüfer.
Ein Käufer aus München, Frau Schmidt, hat es auf Reddit beschrieben: „Der Bausachverständige entdeckte versteckte Feuchtigkeitsschäden im Keller, die uns 25.000 Euro Reparaturkosten ersparten.“ Das ist kein Einzelfall. Das ist Standard.
Die Zukunft des Gutachtens: Digitalisierung, aber nicht ohne Mensch
Die Branche verändert sich. Digitale Checklisten mit 127 Prüfpunkten, KI-gestützte Analysetools, thermografische Kameras - alles wird besser. Die DSGV hat 2024 eine digitale Plattform eingeführt, die alle Prüfpunkte mit dem Gesetz verknüpft. Bis 2026 könnten KI-Tools die Auswertungsgeschwindigkeit um 40 % erhöhen. Aber: 68 % der kritischen Mängel erfordern taktile Prüfung. Eine Kamera kann nicht spüren, ob ein Holzbalken brüchig ist. Ein Sensor kann nicht riechen, ob Schimmel unter dem Boden liegt. Deshalb bleibt der menschliche Sachverständige unersetzlich. Die Technik unterstützt - sie ersetzt nicht.Das Gesetz zur Stärkung der Qualität von Immobiliengutachten aus 2022 hat die Regeln verschärft. Die Bundesregierung plant weitere Verschärfungen - besonders bei der energetischen Bewertung. Wer heute einen Gutachter beauftragt, tut das nicht nur für sich - er tut es für die Zukunft.
Wie viel kostet ein Bausachverständiger?
Die Kosten liegen zwischen 0,3 % und 0,5 % des Kaufpreises. Bei einer Immobilie zu 400.000 Euro sind das 1.200 bis 2.000 Euro. Der Preis hängt von der Größe, dem Alter und der Komplexität der Immobilie ab. Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger kostet durchschnittlich 37 % mehr als ein nicht-zertifizierter Gutachter - aber er bietet auch mehr Sicherheit und rechtliche Verbindlichkeit.
Kann ich den Gutachter vom Verkäufer beauftragen?
Nein. Ein Gutachter, der vom Verkäufer beauftragt wird, ist nicht unabhängig. Er hat ein Interesse daran, den Verkauf zu erleichtern. Sie müssen den Sachverständigen selbst beauftragen - und ihn direkt bezahlen. Nur so ist das Gutachten rechtlich gültig und kann als Grundlage für Preisverhandlungen oder Mietminderungen dienen.
Ist ein Gutachten auch für Neubauten nötig?
Ja. Selbst bei Neubauten können Mängel auftreten: falsch verlegte Rohre, fehlende Dämmung, unzureichende Abdichtung. Ein Bausachverständiger prüft, ob alles gemäß Vertrag und Bauvorschrift errichtet wurde. Besonders bei Fertighäusern oder Baufertigstellungen ist ein Gutachten sinnvoll - denn der Bauherr ist oft nicht vor Ort, wenn die Arbeiten ausgeführt werden.
Was mache ich, wenn der Gutachter Mängel findet?
Sie haben drei Optionen: 1) Verhandeln Sie den Kaufpreis um den geschätzten Reparaturaufwand herunter. 2) Fordern Sie vom Verkäufer schriftlich eine Reparatur vor Übergabe an. 3) Ziehen Sie den Kauf zurück - wenn die Mängel schwerwiegend sind und der Verkäufer nicht reagiert. Ein ordentliches Gutachten gibt Ihnen die rechtliche Grundlage für alle drei Schritte.
Wie lange ist ein Gutachten gültig?
Ein Gutachten ist rechtlich gültig, solange die Immobilie nicht verändert wurde. Allerdings ändern sich wirtschaftliche und technische Rahmenbedingungen - besonders bei Energieausweisen oder Baurechtsvorschriften. Für die Preisverhandlung reicht ein Gutachten, das nicht älter als 6 Monate ist. Für eine spätere Verkaufsbewertung sollte es nicht älter als 2 Jahre sein.
Kann ich das Gutachten bei der Bank vorlegen?
Ja. Viele Banken verlangen ein Gutachten, bevor sie einen Kredit bewilligen - besonders bei älteren Immobilien. Ein zertifiziertes Gutachten dient als Sicherheitsnachweis. Es zeigt, dass das Objekt keinen verborgenen Risiken unterliegt und der Verkehrswert realistisch ist.
Was ist der Unterschied zwischen einem Bausachverständigen und einem Baugutachter?
Es gibt keinen rechtlichen Unterschied. Beide Begriffe werden synonym verwendet. Wichtig ist nicht der Titel, sondern die Zertifizierung: Ist der Gutachter öffentlich bestellt und vereidigt? Hat er die erforderliche Berufserfahrung? Hat er eine Mitgliedschaft in einem anerkannten Verband wie der DSGV oder dem BVS? Dann ist er qualifiziert - egal, wie er sich nennt.