- von Benjamin Alisic
- an 8 Nov, 2025
Stellen Sie sich vor, Sie haben vor zehn Jahren eine Wohnung für 500.000 Euro gekauft. Damals lag der Zinssatz bei nur 1,5 %. Ihre monatliche Rate betrug rund 1.450 Euro. Heute, nach zehn Jahren Tilgung, bleibt Ihnen noch eine Restschuld von 392.000 Euro. Doch jetzt, bei einem Zinssatz von 3,8 %, müssen Sie statt 1.450 Euro fast 2.410 Euro pro Monat zahlen. Das ist fast 1.000 Euro mehr - nur weil sich die Zinsen verändert haben. Und das ist kein Einzelfall. Tausende Hausbesitzer in Deutschland stehen vor genau diesem Problem: Ihre Zinsbindung ist abgelaufen, und die neuen Konditionen sind deutlich teurer.
Warum Zinsänderungen so gefährlich sind
Das Zinsänderungsrisiko ist kein abstraktes Finanzkonzept. Es ist eine reale Bedrohung für jeden, der eine Immobilie mit Kredit finanziert hat. Besonders betroffen sind Menschen mit variablen Darlehen oder mit Annuitätendarlehen, deren Zinsfestschreibung nach 5, 10 oder maximal 15 Jahren endet. Dann muss der Kredit neu verhandelt werden - und das passiert oft genau dann, wenn die Zinsen am höchsten sind. Viele glauben, dass der EZB-Leitzins direkt die Baugeldzinsen bestimmt. Das ist falsch. Die tatsächlichen Zinsen für Wohnungsbaudarlehen orientieren sich an den Renditen von deutschen Bundesanleihen und Pfandbriefen. Wenn diese steigen, steigen auch die Zinsen für Kreditnehmer. Und das passiert, wenn die Inflation hoch ist, die EZB Geld zurückzieht oder der Staat mehr Anleihen ausgibt - was ab 2026 mit höheren Haushaltsdefiziten erwartet wird. Laut Bundesbank lagen die durchschnittlichen Zinsen für Wohnungsbaukredite im Dezember 2024 bei 3,34 %. Das klingt nicht extrem hoch - aber vergleichen Sie das mit den 1,2 % im Jahr 2021. Der Anstieg war massiv. Und Experten erwarten, dass er weitergeht. 60 % der Finanzexperten im Interhyp-Bankenpanel prognostizieren Zinsen von bis zu 4 % bis 2026. Das bedeutet: Wer jetzt eine neue Finanzierung abschließt, muss mit langfristig höheren Kosten rechnen.Wie Sie Ihr Zinsrisiko messen
Bevor Sie sich für eine Absicherung entscheiden, müssen Sie wissen, wie groß Ihr Risiko wirklich ist. Dafür brauchen Sie drei Zahlen:- Die Restschuld Ihres Darlehens
- Die Laufzeit Ihrer aktuellen Zinsbindung
- Die monatliche Rate, die Sie aktuell zahlen
Die besten Strategien zur Zinsabsicherung
Es gibt nicht die eine perfekte Lösung. Aber es gibt mehrere bewährte Wege, sich abzusichern. 1. Längere Zinsbindung wählen Die einfachste und effektivste Methode: Nehmen Sie eine Zinsbindung von 15 bis 20 Jahren. Die meisten Banken bieten das heute an. Die Kosten sind höher als bei einer 5-jährigen Bindung - aber Sie sichern sich gegen Zinssprünge ab. Eine Familie mit 392.000 Euro Restschuld zahlt bei 3,8 % Zins und 15-jähriger Bindung 2.410 Euro pro Monat. Bei 20 Jahren sind es nur noch 2.280 Euro. Das ist ein Unterschied von 130 Euro pro Monat - oder 1.560 Euro pro Jahr. Für die meisten ist das eine lohnende Investition in Planungssicherheit. 2. Forward-Darlehen nutzen Wenn Sie wissen, dass Ihre Zinsbindung in 18 Monaten endet, können Sie schon heute einen Forward-Darlehen abschließen. Das bedeutet: Sie vereinbaren heute die Zinskonditionen für Ihre zukünftige Anschlussfinanzierung - bis zu 60 Monate im Voraus. So können Sie sich gegen Zinserhöhungen absichern, ohne jetzt schon umzuschulden. Besonders sinnvoll, wenn Sie planen, in ein paar Jahren zu verkaufen oder umzuziehen. 3. Teilfinanzierung: Mix aus fest und variabel Ein guter Kompromiss: Teilen Sie Ihr Darlehen in zwei Teile. Zum Beispiel 70 % fest verzinst (für 15 Jahre) und 30 % variabel. So profitieren Sie von niedrigen Zinsen, wenn sie fallen, und sind trotzdem geschützt, wenn sie steigen. Diese Methode ist ideal für Haushalte mit mittlerem Risikobewusstsein - und wenn Sie nicht alles auf eine Karte setzen wollen. 4. Sparpläne und Rücklagen aufbauen Keine Absicherung ist perfekt. Aber eine hohe Eigenkapitalquote und eine finanzielle Pufferreserve helfen, Zinsanstiege zu überbrücken. Wenn Sie monatlich 200 Euro mehr für Ihre Rate zahlen müssen, reicht ein Sparbetrag von 5.000 Euro, um drei Monate zu überstehen - ohne in die Schuldenfalle zu geraten.
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Viele Kreditnehmer machen denselben Fehler - und zahlen dafür einen hohen Preis.- Nicht planen: Wer nicht weiß, wann seine Zinsbindung endet, ist verloren. Setzen Sie sich einen Erinnerungstermin im Kalender - 12 Monate vor Ablauf.
- Bei variablen Darlehen sparen: Sie denken, „jetzt sind die Zinsen günstig“? Aber was, wenn sie in zwei Jahren um 2 Prozent steigen? Dann wird Ihre Rate plötzlich 30 % teurer.
- Die Bank berät Sie nicht: Banken verkaufen oft die Produkte, die ihnen am meisten bringen. Fragen Sie nach Alternativen. Lassen Sie sich von einem unabhängigen Finanzberater beraten - nicht nur vom Bankmitarbeiter.
- Alles auf eine Zinsbindung setzen: Wenn Sie nur auf eine 20-jährige Bindung setzen, verpassen Sie möglicherweise Chancen, wenn die Zinsen fallen. Deshalb: Mixen Sie Strategien.
Was Experten für 2025-2026 erwarten
Die Prognosen sind nicht einheitlich - aber die Mehrheit sagt: Zinsen werden nicht fallen.- 60 % der Experten erwarten steigende Zinsen Richtung 4 % bis 2026.
- Die Deutsche Bank rechnet mit höheren Anleiheemissionen ab 2026 - das treibt die Renditen nach oben.
- Geopolitische Spannungen, neue Zölle oder eine erneute Inflationswelle könnten die Zinsen zusätzlich nach oben drücken.
- Die EZB wird nicht mehr so schnell wie 2023 zinsen, aber sie wird auch nicht zurückfallen. Die Zinsen bleiben auf einem moderaten, aber stabil hohen Niveau.
Was tun, wenn Sie schon in der Anschlussfinanzierung stecken?
Sie haben Ihre Zinsbindung verpasst? Die Raten sind schon gestiegen? Noch ist nicht alles verloren.- Prüfen Sie, ob eine Umschuldung bei einer anderen Bank günstiger ist - oft lohnt sich der Wechsel.
- Verhandeln Sie mit Ihrer Bank: Fragen Sie nach einer Verlängerung der Zinsbindung, auch wenn sie nicht im Angebot steht.
- Stellen Sie eine Tilgungserhöhung in Aussicht: Wenn Sie bereit sind, mehr zurückzuzahlen, kann die Bank Ihnen oft bessere Konditionen anbieten.
- Wenn Sie finanziell unter Druck stehen: Kontaktieren Sie Ihre Bank frühzeitig. Viele bieten Soforthilfen oder Tilgungspausen an - wenn Sie rechtzeitig kommen.
Fazit: Sicherheit ist kein Luxus - sie ist Pflicht
In der Immobilienfinanzierung geht es nicht nur darum, eine Wohnung zu kaufen. Es geht darum, Ihre finanzielle Zukunft zu sichern. Zinsänderungen sind keine seltenen Ausnahmen - sie sind Teil des Marktes. Wer sie ignoriert, riskiert seine Lebensplanung. Die beste Absicherung ist nicht die billigste. Sie ist die, die Ihnen Sicherheit gibt - auch wenn die Zinsen steigen. Eine Zinsbindung von 15 Jahren, ein Teilfinanzierungsmodell oder ein Forward-Darlehen - das sind keine komplizierten Finanzprodukte. Das sind klare, praktische Schritte, die Sie heute machen können, um morgen nicht zu bezahlen. Wenn Sie jetzt handeln, können Sie die nächste Zinserhöhung nicht verhindern. Aber Sie können verhindern, dass sie Ihr Leben durcheinanderbringt.Was ist das Zinsänderungsrisiko bei einer Immobilienfinanzierung?
Das Zinsänderungsrisiko beschreibt die Gefahr, dass die Zinsen für Ihr Darlehen nach Ablauf der Zinsbindung deutlich steigen. Das passiert besonders bei variablen Krediten oder bei Annuitätendarlehen, deren Zinsfestschreibung nach 5-15 Jahren endet. Wenn die Marktzinsen dann höher liegen, müssen Sie höhere monatliche Raten zahlen - oft um Hunderte Euro mehr.
Sind variable Zinsen immer schlecht?
Nein. Variable Zinsen sind günstig, wenn die Zinsen fallen - aber riskant, wenn sie steigen. Sie eignen sich nur für Haushalte mit hohem Einkommen, großen Rücklagen und kurzen Planungshorizonten. Für die meisten Familien ist das Risiko zu hoch. Eine feste Zinsbindung bietet Planungssicherheit - und das ist oft wichtiger als kurzfristige Einsparungen.
Wie lange sollte meine Zinsbindung sein?
Bei aktuellen Zinsen von etwa 3 % ist eine Zinsbindung von 15 Jahren die empfohlene Mindestlänge. Wer besonders risikoscheu ist oder ein unsicheres Einkommen hat, sollte auf 20 Jahre setzen. Kürzere Bindungen von 5-10 Jahren sind nur sinnvoll, wenn Sie in den nächsten Jahren verkaufen oder umziehen. Langfristig gesehen spart eine längere Bindung Geld - auch wenn die Anfangsrate etwas höher ist.
Was ist ein Forward-Darlehen?
Ein Forward-Darlehen ist eine Vereinbarung, bei der Sie heute die Zinskonditionen für Ihre zukünftige Anschlussfinanzierung festlegen - bis zu 60 Monate vor Ablauf Ihrer aktuellen Zinsbindung. So können Sie sich gegen steigende Zinsen absichern, ohne jetzt schon umzuschulden. Es ist ideal, wenn Sie wissen, dass Ihre Zinsbindung bald ausläuft.
Warum sind die Baugeldzinsen nicht vom EZB-Leitzins abhängig?
Obwohl viele das glauben, beeinflusst der EZB-Leitzins die Baugeldzinsen nur indirekt. Die tatsächlichen Zinsen für Wohnungsbaudarlehen orientieren sich an den Renditen von deutschen Bundesanleihen und Pfandbriefen. Diese werden von der Inflation, der Staatsverschuldung und der Nachfrage nach Anleihen bestimmt. Die EZB kann diese Renditen nur durch Anleihenkäufe oder -verkäufe beeinflussen - nicht direkt durch den Leitzins.
Wie hoch ist das Risiko, dass die Zinsen 2026 über 4 % steigen?
Laut dem Interhyp-Bankenpanel (Oktober 2023) erwarten 60 % der Finanzexperten, dass die Baugeldzinsen bis 2026 auf 4 % oder höher steigen. Gründe sind geplante höhere Staatsausgaben, Anleiheemissionen, anhaltende Inflation und geopolitische Unsicherheiten. Selbst wenn die Zinsen nicht weiter steigen, bleiben sie auf einem Niveau, das deutlich höher ist als in der Niedrigzinsphase vor 2021.
Sollte ich mein Darlehen aufteilen - fest und variabel?
Ja, das ist eine gute Strategie, besonders wenn Sie unsicher sind, ob die Zinsen steigen oder fallen werden. Ein typischer Ansatz ist 70 % fest verzinst (z. B. 15 Jahre) und 30 % variabel. So profitieren Sie von niedrigen Zinsen, wenn sie fallen, und sind trotzdem geschützt, wenn sie steigen. Diese Methode bietet Flexibilität ohne hohe Risiken.